Was am Freitagnachmittag in der Aula der Comenius-Schule (CSH) geboten wurde, war nicht weniger als ein Klavierkonzert der Extraklasse.
Zwei ukrainische Schüler, Alexandr (16) und sein Bruder Illia (13) Pototskiy, die mit ihren Eltern und weiteren drei Geschwistern in Sinn wohnen, verzauberten die Gäste am Konzertflügel.
Die Familie floh aus der seit April 2014 proklamierten Ortschaft Nowopskow in der umkämpften Republik Lugansk, einem Teilgebiet der Oblast Luhansk in der Ukraine ohne internationale Anerkennung. Wie in der Ukraine üblich hatten auch die Brüder ab der 1. Klasse Musikunterricht, erzählte die Mutter. Tante Haivea Valeriia, eine Klavierlehrerin, fördert die Talente ihrer Neffen, die zusätzlich die Wetzlarer Musikschule besuchen.
Die beiden können viel besser Klavierspielen als Deutsch sprechen, sagte der Rektor der Comeniusschule Micha Gabriel. Daran, dass dies besser wird, arbeitet Klassenlehrerin Isolde Kaufmann mit viel Hingabe. Sie hatte auch den Vortragsabend gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Fördervereins Philip Endres und seinen Mitstreitern ausgerichtet.
Der 13-jährige Illia Pototskiy ging als erster Interpret mit der Sonate Rr.1, 1. Teil von Ludwig van Beethoven in medias res. Sehr konzentriert und mit erkennbarer Freude beherrschte er den Flügel souverän. Nach Edvard Griegs „Nocturne C-Dur“ und der EtüdeNr. 5 „Jagd“ von Franz Liszt, verzauberte der junge Klaviervirtuose mit dem fünf-minütigen Stück „Toccata“ von Aram Chatschaturjan. Rauschender Beifall war der Lohn auch für diese tolle Darbietung.
Bemerkenswert, dass auch sein Bruder Alexandr, der nach der Pause den zweiten Part übernahm, völlig ohne Notenblätter spielt. Auch er, der Ältere von Beiden, übt täglich bis zu drei Stunden. Am Wochenende sind es schon ein paar Stunden mehr, erzählte Mutter Pototskiy mit einem verschmitzten Lächeln.
Faszinierend das Fingerspiel von Alexandr bei der Transcendentale Etüde von List. Auch das Poeten-Herz von Edward Grieg war nicht nur für die Kenner der klassischen Musik ein Hochgenuss. Mit der Ballade g-Moll von Frederic Chopin, einem sehr anspruchsvollen Stück mit spontanen Stimmungs- und Kontrastwechsel, verschaffte der Klavierkünstler seinen Zuhörerinnen und Zuhörern eine Gänsehaut-Atmosphäre erster Sahne.
Schulleiter Gabriel glaubt, dass man von den Brüdern Pototskiy in absehbarer Zeit noch überregional hören wird. Alexandr wird wahrscheinlich schon bald nach Frankfurt auf das dortige Konservatorium wechseln. Sein kleiner Bruder bleibt der Comeniusschule noch erhalten. Ihn wird man als Klavier-Solist beim Weihnachtskonzert des Herbornseelbacher Musikvereins (Rote Teufel) erneut erleben können, verspricht Dirigent Erwin Gabriel.